Hörgerät und Brille

3. November 2025
10 Minuten Lesezeit
Frau mit Brille und Hörgerät

Viele Menschen mit Hörverlust tragen gleichzeitig eine Brille und stehen vor der Frage, ob sich beide Hilfsmittel problemlos kombinieren lassen. Die gute Nachricht: Moderne Hörgeräte sind so konstruiert, dass sie auch mit einer Sehhilfe komfortabel getragen werden können. Entscheidend sind die richtige Bauform, eine sorgfältige Anpassung und einige praktische Kniffe im Alltag. Dieser Ratgeber bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Hörgerätetypen, deren Eignung für Brillenträger sowie innovative Lösungen wie die Hörbrille.

Das Wichtigste in Kürze

  • Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO) und RIC-Geräte können mit Brillen kombiniert werden, wenn die Anpassung stimmt und die Geräte schlank sind.
  • Im-Ohr-Hörgeräte (IdO) beanspruchen keinen Platz hinter dem Ohr und gelten als besonders brillenfreundlich.
  • Die Hörbrille integriert Hör- und Sehhilfe in einem Gerät, bietet Diskretion, bindet aber beide Funktionen aneinander.
  • Praktische Tipps wie die richtige Reihenfolge beim Anlegen und schmale Brillenbügel erhöhen den Tragekomfort erheblich.

Die verschiedenen Hörgeräte-Bauformen im Überblick

Hörgeräte unterscheiden sich grundlegend in ihrer Bauweise und der Position, an der sie am oder im Ohr getragen werden. Diese Unterschiede haben direkten Einfluss darauf, wie gut sich ein Hörgerät mit einer Brille kombinieren lässt. Zu den gängigsten Bauformen zählen Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO), Receiver-in-Canal-Geräte (RIC), Im-Ohr-Geräte (IdO) sowie die speziell für Brillenträger entwickelten Hörbrillen.

Hinter-dem-Ohr-Geräte bestehen aus einem Gehäuse, das hinter der Ohrmuschel platziert wird und über einen dünnen Schallschlauch mit einem Ohrstück im Gehörgang verbunden ist. RIC-Geräte ähneln dieser Bauweise, verfügen jedoch über ein kleineres Gehäuse, da der Lautsprecher direkt im Gehörgang sitzt. Im-Ohr-Geräte hingegen werden vollständig im Gehörgang oder in der Ohrmuschel platziert und benötigen keinen Platz hinter dem Ohr. Jede Bauform bringt spezifische Vor- und Nachteile mit sich, die bei der Auswahl berücksichtigt werden sollten.

Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte und Brillen kombinieren

Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO) waren lange Zeit die Standardlösung für viele Formen von Altersschwerhörigkeit und anderen Hörverlusten. Ihr Gehäuse sitzt direkt hinter der Ohrmuschel, wo auch der Brillenbügel verläuft. Diese räumliche Nähe kann unter Umständen zu Druckstellen oder einem Gefühl der Enge führen, insbesondere bei Menschen mit kleineren oder enganliegenden Ohren.

Moderne HdO-Geräte sind jedoch deutlich kompakter und leichter als ältere Modelle. Viele Hersteller haben ihre Geräte gezielt so gestaltet, dass sie weniger Raum hinter dem Ohr beanspruchen und sich harmonisch mit Brillenbügeln kombinieren lassen. Bei der Anpassung durch einen Hörakustiker kann der Sitz des Gerätes so justiert werden, dass es nicht mit dem Brillenbügel kollidiert. Auch die Wahl schmaler Brillenbügel trägt dazu bei, den verfügbaren Platz optimal zu nutzen und den Tragekomfort zu erhöhen.

Für Brillenträger empfiehlt es sich, beim Kauf eines HdO-Gerätes darauf zu achten, dass das Gehäuse möglichst flach und leicht ist. Einige Modelle verfügen über spezielle Formgebungen, die sich besser an die Anatomie des Ohres anpassen und den Konflikt mit dem Brillenbügel minimieren. In der Praxis zeigt sich, dass mit einer sorgfältigen Auswahl und Anpassung auch HdO-Geräte und Brillen gut miteinander vereinbar sind.

RIC-Hörgeräte für Brillenträger

RIC-Hörgeräte, auch bekannt als Receiver-in-Canal- oder RITE-Geräte (Receiver-in-the-Ear), stellen eine moderne Weiterentwicklung der HdO-Bauform dar. Ihr wesentlicher Unterschied liegt darin, dass der Lautsprecher nicht im Gehäuse hinter dem Ohr untergebracht ist, sondern direkt im Gehörgang sitzt. Dadurch kann das Gehäuse hinter dem Ohr deutlich kleiner ausfallen, was insbesondere für Brillenträger von Vorteil ist.

Das reduzierte Gehäuse beansprucht weniger Raum hinter der Ohrmuschel und verringert somit die Gefahr von Druckstellen durch den Brillenbügel. Dennoch ist auch bei RIC-Geräten darauf zu achten, dass das An- und Ablegen der Brille vorsichtig erfolgt, um das Hörgerät nicht versehentlich zu verschieben oder zu beschädigen. Ein weiterer Vorteil der RIC-Bauweise ist die oft natürlichere Klangqualität, da der Lautsprecher näher am Trommelfell positioniert ist.

Für viele Brillenträger stellen RIC-Geräte eine ausgezeichnete Wahl dar, da sie Leistung und Komfort in einem kompakten Design vereinen. Die dünne Drahtverbindung zwischen Gehäuse und Lautsprecher ist nahezu unsichtbar und stört nicht beim Tragen einer Brille. Auch hier ist eine individuelle Anpassung durch einen Fachmann entscheidend, um optimalen Halt und Tragekomfort sicherzustellen.

Im-Ohr-Hörgeräte als brillenfreundliche Alternative

Im-Ohr-Hörgeräte (IdO) gelten unter Brillenträgern oft als die komfortabelste Lösung, da sie vollständig im Gehörgang oder in der Ohrmuschel platziert werden und somit keinerlei Platz hinter dem Ohr beanspruchen. Diese Bauform umfasst verschiedene Untertypen, darunter die kleinen CIC-Geräte (Completely-in-Canal), die tief im Gehörgang sitzen und nahezu unsichtbar sind, sowie größere ITC-Modelle (In-the-Canal), die teilweise in der Ohrmuschel sichtbar bleiben.

Der größte Vorteil von IdO-Geräten für Brillenträger liegt darin, dass die Brille völlig unbeeinträchtigt getragen werden kann. Es gibt keinen Konflikt um den Platz hinter dem Ohr, und auch beim An- und Ablegen der Brille besteht keine Gefahr, das Hörgerät zu verschieben. Dies macht IdO-Geräte zu einer besonders flexiblen und unkomplizierten Lösung.

Allerdings sind IdO-Geräte nicht für jeden Hörverlust geeignet. Bei starken Hörverlusten kann die Leistung dieser Geräte unter Umständen nicht ausreichen, da weniger Platz für leistungsstarke Komponenten zur Verfügung steht. Auch die Anatomie des Gehörgangs spielt eine Rolle: Bei sehr engen oder ungewöhnlich geformten Gehörgängen kann die Anfertigung eines passenden Gerätes schwierig sein. Zudem können IdO-Geräte durch ihre Position im Gehörgang anfälliger für Verschmutzungen durch Ohrenschmalz sein, was eine regelmäßige Reinigung erforderlich macht.

Die Hörbrille als integrierte Lösung

Funktionsweise und Bauarten

Eine Hörbrille vereint Seh- und Hörhilfe in einem einzigen Gerät, indem die gesamte Hörgerätetechnik direkt in die Brillenbügel integriert wird. Diese Lösung eliminiert die Notwendigkeit separater Komponenten hinter dem Ohr und bietet eine besonders diskrete Möglichkeit, beide Hilfsmittel gleichzeitig zu nutzen. Es existieren zwei Hauptvarianten der Hörbrille: die Luftleitungs-Hörbrille und die Knochenleitungs-Hörbrille.

Bei der Luftleitungs-Hörbrille wird der Schall über eine Otoplastik und einen dünnen Schlauch in den Gehörgang geleitet, ähnlich wie bei herkömmlichen HdO-Geräten. Die Knochenleitungs-Hörbrille hingegen überträgt den Schall direkt über den Schädelknochen zum Innenohr, was insbesondere bei bestimmten Formen von Hörverlust von Vorteil sein kann. Beide Varianten ermöglichen es, die Bedienelemente der Hörhilfe direkt am Brillenbügel zu platzieren, was die Handhabung erleichtert.

Alternativ zur vollintegrierten Hörbrille können auch Clip-Systeme verwendet werden, bei denen ein kleines Hörgerät an einem bestehenden Brillenbügel befestigt wird. Diese Lösung bietet mehr Flexibilität, da die Brille unabhängig von der Hörhilfe gewechselt werden kann.

Vor- und Nachteile der Hörbrille

Die Hörbrille bietet den deutlichen Vorteil der Diskretion, da die Hörhilfe durch die Integration in den Brillenbügel für Außenstehende kaum auffällt. Zudem müssen Nutzer nur ein Gerät anpassen, pflegen und tragen, was den Alltag vereinfachen kann. Die direkte Verbindung von Seh- und Hörhilfe sorgt dafür, dass beide Funktionen stets gemeinsam verfügbar sind.

Allerdings besteht bei dieser kombinierten Lösung eine starke Abhängigkeit: Fällt das Gerät durch einen Defekt aus oder muss es zur Reparatur, ist der Nutzer gleichzeitig in seiner Seh- und Hörfähigkeit eingeschränkt. Dies kann im Alltag zu erheblichen Unannehmlichkeiten führen, insbesondere wenn keine Ersatzbrille oder kein separates Hörgerät zur Verfügung steht. Zudem ist die Auswahl an Modellen bei Hörbrillen oft geringer als bei separaten Hörgeräten, und die Anschaffungskosten können höher ausfallen.

Einige Nutzer empfinden die Technik in den Bügeln durch das zusätzliche Gewicht oder Volumen als ungewohnt, was den Tragekomfort beeinträchtigen kann. Auch bei einem Wechsel der Brillenstärke müssen unter Umständen beide Komponenten angepasst werden, was zusätzlichen Aufwand bedeutet. Dennoch kann die Hörbrille für bestimmte Nutzergruppen eine attraktive Lösung darstellen, insbesondere wenn Diskretion und Einfachheit im Vordergrund stehen.

Praktische Tipps für den Alltag mit Hörgerät und Brille

Richtige Reihenfolge beim Anlegen

Für den höchsten Tragekomfort im Alltag ist die korrekte Reihenfolge beim Anlegen entscheidend. Zunächst sollte das Hörgerät platziert werden, wobei darauf zu achten ist, dass es fest und sicher hinter dem Ohr sitzt. Anschließend wird die Brille vorsichtig über das Ohr geschoben, sodass der Brillenbügel über dem Hörgerät zu liegen kommt, ohne es zu verschieben oder Druck auszuüben.

Beim Abnehmen der Brille empfiehlt es sich, diese mit beiden Händen gerade nach vorne wegzuziehen, damit die Hörgeräte nicht unbeabsichtigt verschoben oder abgestreift werden. Etwas Übung kann helfen, diese Bewegungsabläufe zu automatisieren und im Alltag sicherer zu handhaben.

Wahl der richtigen Brille

Brillenträger mit HdO- oder RIC-Geräten sollten bevorzugt Brillen mit schmalen und leichten Bügeln wählen, da diese mehr Platz hinter dem Ohr lassen und den Druck auf die Hörgeräte reduzieren. Flache Bügel können ebenfalls von Vorteil sein, da sie sich besser um das Hörgerät herum anpassen lassen.

Ein Optiker sollte die Brillenbügel regelmäßig prüfen und anpassen, um zu gewährleisten, dass sie nicht verrutschen oder auf die Hörgeräte drücken. Auch die Länge der Bügel spielt eine Rolle: Zu kurze Bügel können dazu führen, dass die Brille nicht fest genug sitzt, während zu lange Bügel unnötigen Druck erzeugen können.

Regelmäßige Anpassung und Pflege

Sowohl Hörgeräte als auch Brillen sollten regelmäßig von Fachleuten überprüft und angepasst werden. Veränderungen im Hörvermögen oder der Sehstärke erfordern möglicherweise Anpassungen an den Geräten. Auch die Pflege der Hörgeräte ist wichtig, um ihre Funktionsfähigkeit und Lebensdauer zu erhalten. Reinigung von Hörgeräten sollte regelmäßig erfolgen, um Verschmutzungen und Funktionsstörungen zu vermeiden.

Brillenträger sollten zudem darauf achten, dass ihre Brille sauber und gut eingestellt ist, um Sehprobleme zu vermeiden, die zusätzlich belasten könnten. Eine gute Abstimmung zwischen Hörakustiker und Optiker kann dazu beitragen, dass beide Hilfsmittel optimal aufeinander abgestimmt sind.

Umgang mit Herausforderungen

Sollten trotz aller Anpassungen Druckstellen oder Unbehagen auftreten, ist es ratsam, umgehend den Hörakustiker oder Optiker aufzusuchen. Oft können kleine Justierungen oder alternative Lösungen das Problem beheben. Auch der Austausch einzelner Komponenten, etwa eines Ohrstücks oder eines Brillenbügels, kann den Tragekomfort erheblich verbessern.

Bei der Wahl des passenden Hilfsmittels für Schwerhörige sollte immer die individuelle Situation berücksichtigt werden. Nicht jede Bauform ist für jeden Menschen gleichermaßen geeignet, und eine umfassende Beratung durch Fachleute ist unerlässlich, um die beste Lösung zu finden.