HÖRST
Glossar
I
Iatrogener Hörverlust entsteht als unerwünschte Nebenwirkung medizinischer Eingriffe oder Therapien, etwa durch ototoxische Medikamente (Aminoglykoside, Cisplatin) oder Schädigung während Ohr‑Operationen. Häufig sind Haarzellen im Innenohr oder synaptische Verbindungen betroffen, was zu permanentem sensorineuralem Hörverlust führen kann. Präventiv werden Medikamentendosen überwacht und otoxizitätsschützende Substanzen erwogen. Nach Auftreten iatrogener Schäden hilft frühzeitige Hörrehabilitation mit Hörgeräten oder Implantaten. Interdisziplinäre Abstimmung zwischen HNO, Onkologie und Audiologie minimiert Risiken.
Unter idiopathischem Hörverlust versteht man einen Hörverlust unbekannter Ursache, bei dem weder organische Befunde noch bekannte Risikofaktoren vorliegen. Er kann plötzlich (idiopathischer Hörsturz) oder schleichend auftreten und betrifft meist hohe Frequenzen. Die Diagnostik schließt umfangreiche bildgebende Verfahren, Laboranalysen und otoakustische Emissionen ein, bleibt jedoch oft ergebnislos. Therapeutisch wird ähnlich wie beim Hörsturz mit Kortikosteroiden und Vasodilatatoren behandelt. Langzeitmanagement umfasst Monitoring und ggf. Hörhilfenanpassung.
Ein IdO‑Hörgerät (Im-Ohr) sitzt vollständig im Gehörgangsbereich und ist von außen kaum sichtbar. Es nutzt den natürlichen Schalltrichtereffekt des Außenohrs und bietet guten Klang, ist aber weniger leistungsfähig als HdO‑Geräte. Aufgrund der kompakten Bauform sind Batteriekapazität und Verstärkungsreserven begrenzt, was IdO vor allem für leichte bis moderate Hörverluste geeignet macht. Anpassung erfordert präzise Otoplastiken und regelmäßige Wartung, um Cerumen blockaden zu vermeiden. Nutzer schätzen Diskretion und Tragekomfort.
Das IIC‑Hörgerät (Invisible‑in‑Canal) ist eine Unterform des IdO und sitzt tief im Gehörgang knapp vor dem Trommelfell. Es ist nahezu unsichtbar und bietet optimierte Sprachverständlichkeit durch minimale Rückkopplungen. Kleinste Mikrofone und Verstärkertechnik ermöglichen trotz kompakter Bauweise Mehrkanal‑Signalverarbeitung. Einschränkungen bestehen bei starken Hörverlusten und Bedienbarkeit (z. B. Batteriewechsel). Hygienische Reinigung und regelmäßige Kontrolle sind essenziell, um Leistungseinbußen zu vermeiden.
Impedanz beschreibt den Widerstand und die Reaktanz eines akustischen oder mechanischen Systems gegen Schallübertragung, gemessen in Ohm oder mmho. Im Ohr bezieht sie sich auf Trommelfell und Mittelohrkette, deren Beweglichkeit bei Druckänderungen untersucht wird (Tympanometrie). Veränderungen der Impedanzkurve deuten auf Flüssigkeitsansammlungen, Versteifungen oder Perforationen hin. In der Hörgerätestechnik wird Impedanzmessung zur Otoplastik‑Passformkontrolle eingesetzt. Ein optimaler Impedanzabgleich maximiert Schallleitungseffizienz.
Ein Impulsgeräusch ist ein kurzer, plötzlicher Schalldruckanstieg, wie Knall oder Schlag, mit breitbandigem Frequenzspektrum. Solche Reize können akustische Traumata verursachen, wenn Spitzenpegel 140 dB SPL überschreiten. In der Audiometrie werden Impulsgeräusche eingesetzt, um Stapediusreflex und Hörschutzreflex zu testen. Gehörschutz für Impulslärm unterscheidet sich von Dauerschall‑Schutz, da schnelle Dämpfungsreaktionen erforderlich sind. Forschung untersucht Materialdynamik und reflexive Mechanismen zum Schutz vor Impulsschäden.
In‑situ‑Messungen erfolgen direkt im eingebauten Zustand, z. B. OAE‑ oder HRTF‑Messungen im Gehörgang mit eingesetztem Hörgerät. Sie erlauben realitätsnahe Erfassung von Verstärkungs‑ und Filterwirkungen unter Anpassbedingungen. Anders als Freifeldmessungen berücksichtigen In‑situ-Methoden individuelle Ohranatomie und Otoplastik‑Effekte. Moderne Anpasssoftware integriert In‑situ‑Daten zur präzisen Feinkalibrierung. Regelmäßige In‑situ‑Kontrollen gewährleisten langfristige Versorgungsqualität.
Infraschall bezeichnet Schall mit Frequenzen unter 20 Hz, die unterhalb der menschlichen Hörschwelle liegen, aber körperlich spürbare Vibrationen erzeugen können. Quellen sind Naturphänomene (Erdbeben, Wind) und technische Anlagen (Windkraft, Industrie). Langzeitexposition kann Unbehagen, Druckgefühl im Ohr und Schlafstörungen verursachen. Standardisierte Messverfahren und Filtertechniken helfen, Infraschall zu detektieren und zu dämmen. In der Forschung wird Infraschallwirkung auf vestibuläre Funktionen untersucht.
Ein inkompletter Stapediusreflex zeigt sich, wenn der Musculus stapedius bei lauten Reizen nur teilweise kontrahiert. Audiologisch führt dies zu reduzierter Dämpfung der Gehörknöchelchenkette und erhöhtem Risiko für Lärmschäden. Inkomplette Reflexe deuten auf Muskeldysfunktion, Nervenläsion oder Mittelohrerkrankungen hin. Reflexprüfung mit Tympanometrie quantifiziert Amplitude und Latenz. Therapeutisch können Hörgeräte‑Kompression und Muskeltraining Reflexverstärkung unterstützen.
Das Innenohr besteht aus Cochlea und Vestibularorgan und wandelt mechanische Schall- und Bewegungsreize in elektrische Nervenimpulse um. In der Cochlea sitzen Haarzellen auf der Basiliarmembran, die je nach Frequenz unterschiedlich angeregt werden. Das Vestibularorgan registriert Kopfbewegungen und Lage. Flüssigkeitsgefüllte Skalen und Membranen gewährleisten elektrochemische Transduktion. Verletzungen oder Degenerationen hier führen zu sensorineuralem Hörverlust und Schwindel.
Innenohrschwerhörigkeit (sensorineuraler Hörverlust) entsteht durch Schäden an Haarzellen, Hörnerv oder zentralen Hörbahnen. Sie äußert sich in erhöhten Hörschwellen und vermindertem Sprachverständnis, besonders in Lärm. Ursachen sind Alter, Lärmtrauma, genetische Faktoren oder Ototoxine. Therapie umfasst Hörgeräte, Cochlea‑Implantate und Hörtraining. Forschung an Haarzellregeneration und synaptischem Schutz zielt auf Heilung ab.
Die inneren Haarzellen sind primäre Sinneszellen der Cochlea, die Schall‑induzierte Membranbewegungen in elektrische Signale umwandeln. Sie sind einzeln mit afferenten Nervenfasern verbunden und entscheidend für Ton- und Sprachverständlichkeit. Verlust oder Funktionsstörung der IHC führt zu schwerem sensorineuralem Hörverlust. Anders als äußere Haarzellen können sie beim Menschen nicht regenerieren. Gentherapie- und Stammzellansätze forschen an Reparaturmethoden.
Bei Insuffizienz der Tuba auditiva (Ohrtrompete) versagt der Ventilationsmechanismus, und Druckausgleich zwischen Mittelohr und Rachenraum funktioniert nicht. Dies führt zu chronischem Unterdruck, Ergussbildung und Hörminderung. Symptome sind Druckgefühl, Knistern und rezidivierende Otitiden. Diagnostik per Tubenfunktionstest und Tympanometrie; Therapie umfasst Ballondilatation, Katheter und Paukenröhrchen. Langfristige Insuffizienz erfordert interdisziplinäre Betreuung.
Ein integrierter Tinnitus‑Noiser ist eine Funktion in modernen Hörgeräten, die ein leises Rauschsignal zur Maskierung oder Desensibilisierung von Tinnitus direkt aus dem Gerät abgibt. Das Rauschprofil kann individuell in Frequenzspektrum und Lautstärke justiert werden. Kontinuierliche Noiser‑Einspielung fördert Habituation und reduziert Tinnituswahrnehmung im Alltag. Nutzer können Masker‑Programme situationsabhängig aktivieren. Studien belegen Verbesserung von Schlaf und Lebensqualität durch integrierte Noiser.
Intensität beschreibt die Leistung pro Flächeneinheit einer Schallwelle und wird meist in Watt pro Quadratmeter (W/m²) oder in Dezibel (dB SPL) angegeben. Sie korreliert mit der wahrgenommenen Lautstärke, wobei eine Verzehnfachung der Schallintensität einer Zunahme um 10 dB entspricht. Im Ohr führen hohe Intensitäten zu größerer Auslenkung von Trommelfell und Basiliarmembran, was bei Überschreitung der Schmerzschwelle zu Haarszellenschäden führen kann. Audiologisch bestimmt man die Intensity‑Loudness‑Funktion, um Dynamikbereich und Komfortschwelle zu ermitteln. Hörgeräte nutzen dieses Wissen für Kompressionsalgorithmen, die laute Signale abmildern und leise verstärken.
Die Interaural Level Difference ist die Pegeldifferenz eines Schallsignals zwischen rechtem und linkem Ohr, verursacht durch Kopf‑Schatteneffekt. ILD dient als wichtiger Hinweis für die horizontale Lokalisation von hohen Frequenzen (>1.5 kHz). Im superioren Olivenkern werden ILD‑Informationen mit Zeitdifferenzen kombiniert, um räumliches Hören zu ermöglichen. Hörgeräte mit binauraler Vernetzung erhalten ILD‑Cues, indem sie Pegelinformationen synchron austauschen. ILD‑Tests in schalltoten Kammern quantifizieren Lokalisationseffizienz.
Die Interaurale Zeitdifferenz ist die Differenz in der Ankunftszeit eines Schallsignals an beiden Ohren und dient primär der Lokalisation tiefer Frequenzen (<1.5 kHz). Bereits Mikrosekundenunterschiede reichen aus, damit das Gehirn Schallquellen präzise ortet. ITD‑Verarbeitung erfolgt im medialen Olivenkern, wo phase-locked Neurone unterschiedliche Verzögerungen vergleichen. Störungen der ITD-Verarbeitung führen zu Lokalisationseinschränkungen und schlechterem Sprachverstehen in Lärm. Hörsysteme müssen Latenzen minimieren, um natürliche ITD‑Cues nicht zu verfälschen.
Eine intrakochleäre Elektrode ist Teil eines Cochlea‑Implantats und wird durch eine Cochleotomie in das Innere der Cochlea eingeführt. Sie stimuliert spezifische Region der Hörschnecke elektrisch und ersetzt so defekte Haarzellen. Die Anzahl und Verteilung der Elektroden bestimmt die spektrale Auflösung des Implantats. Chirurgische Präzision beim Einsetzen minimiert Trauma und erhält Restgehör. Postoperatives Mapping justiert Stimulationsstärken pro Elektrode für optimales Sprachverstehen.
Der intralabyrinthine Druck bezieht sich auf den hydrostatischen Druck der Endolymph- und Perilymphräume im Innenohr. Veränderungen, etwa bei Menière-Krankheit, führen zu Hydrops und verursachen Schwindel, Tinnitus und Hörverlust. Druckmessungen in Tiermodellen helfen, Pathomechanismen zu verstehen und Druckregulationsverfahren zu entwickeln. Klinisch wird indirekt über Tympanometrie und ECochG auf intralabyrinthinen Druck geschlossen. Therapieansätze zielen auf Druckentlastung durch Diuretika oder chirurgische Dekompression.
Beim intraoperativen Monitoring werden evozierte Potentiale des Hirnstamms (ABR) während Ohr‑ oder Schädelbasisoperationen kontinuierlich aufgezeichnet. Dies schützt vor Schädigung des Hörnervs und Hirnstammstrukturen, indem frühzeitig Funktionsverluste detektiert werden. Neurophysiologen passen Stimulations- und Aufzeichnungsparameter in Echtzeit an. Ausfälle oder Latenzänderungen lösen sofortige Operationspausen oder Technikanpassungen aus. Das Verfahren erhöht die Sicherheit bei Akustikusneurinom‑Resektionen und Cochlea‑Implantationen.
Intratympanische Gentamicin‑Therapie wird zur Behandlung von therapierefraktärem Morbus Menière eingesetzt, indem das Antibiotikum gezielt in das Mittelohr injiziert wird. Gentamicin diffundiert durch das Trommelfell in die Cochlea und zerstört selektiv vestibuläre Haarzellen, um Schwindelanfälle zu reduzieren. Die Dosis wird sorgfältig titriert, um Hörverlust zu minimieren. Nachbeobachtung umfasst audiometrische Kontrollen und vestibuläre Funktionstests. Die Therapie bietet effektive Schwindelkontrolle bei geringer Systemtoxizität.
Ionotoxizität bezeichnet die Schädigung von Haarzellen und Nervenzellen im Ohr durch bestimmte Ionen-vermittelte Substanzen, etwa Aminoglykoside oder Cisplatin. Diese Ototoxine erhöhen Calcium‑Permeabilität und erzeugen reaktive Sauerstoffspezies, was zum Zelltod führt. Früherkennung erfolgt durch DPOAE‑Monitoring während der Therapie. Schutzstrategien umfassen Antioxidantien und calciumkanalblocker. Langzeitfolgen reichen von Tinnitus bis zu permanentem Hörverlust.
Ipsi‑laterales Hören beschreibt Wahrnehmung am gleichen Ohr wie die Schallquelle, kontralaterales am gegenüberliegenden. Diese Dichotomie ist zentral für Lokalisation und binaurale Verarbeitung. In der Diagnostik werden ipsi- und kontralaterale Reflexe (Stapedius) geprüft, um lateralisierte Pathologien zu erkennen. Unterschiede in Schwellen oder Reflexantworten deuten auf Nervenläsionen oder Mittelohrerkrankungen hin. Rehabilitation zielt auf Ausgleich lateraler Defizite durch binaurale Versorgung.
Eine isochrone Lautstärkeskala ordnet Töne gleicher wahrgenommener Lautheit über verschiedene Frequenzen. Sie basiert auf psychoakustischen Daten und zeigt, dass das menschliche Ohr bei mittleren Frequenzen am empfindlichsten ist. Isochrone Kurven (Fletcher‑Munson‑Kurven) dienen der Kalibrierung von Audiometern und der Gewichtung (A‑, C‑Filter) in Schallpegelmessern. In der Hörgeräteanpassung helfen sie, Komfort und Natürlichkeit des Höreindrucks sicherzustellen.
Isochroner Tinnitus ist ein rhythmischer Ohrton, der synchron zum Herzschlag wahrgenommen wird („pulsatile Tinnitus“). Er entsteht durch vaskuläre Turbulenzen oder Druckschwankungen im Innenohrraum. Diagnostik umfasst Doppler-Sonographie und MRT-Angiographie, um vaskuläre Ursachen auszuschließen. Behandlung richtet sich nach Ursache, z. B. Embolisation oder Drucktherapie. Da er mit Herz-Kreislauf verknüpft ist, erfordert er interdisziplinäre Abklärung.