HÖRST
Glossar
R
Radialfasern sind afferente Nervenfasern, die von den inneren Haarzellen ausgehen und radial zum modiolaren Ganglion ziehen. Sie übertragen die primären Hörsignale mit hoher Präzision zeitlicher und amplitudaler Informationen an den Hörnerv. Radialfasern besitzen große, myelinisierte Axone, die schnelle Leitungsgeschwindigkeiten ermöglichen und für Sprachverständlichkeit entscheidend sind. Schädigungen dieser Fasern, etwa durch Lärm oder Ototoxine, führen zu Hidden Hearing Loss trotz normaler Hörschwellen. Forschungsansätze zielen darauf ab, Radialfasern zu schützen oder zu regenerieren, um synaptischen Verschleiß zu kompensieren.
Die Raphael’schen Bänder (Ligamenta spiralia interni) sind feine bindegewebige Strukturen im modiolaren Bereich der Cochlea, die Nervenfasern und Blutgefäße stabilisieren. Sie verlaufen radial zwischen Modiolus und Basiliarmembran und unterstützen die räumliche Anordnung der afferenten und efferenten Fasern. Ihre Integrität ist wichtig für unverzerrte Signalweiterleitung und Nährstoffversorgung der Haarzellen. Histologische Untersuchungen zeigen, dass Alterungsprozesse und Entzündungen zu Degeneration der Raphael’schen Bänder beitragen können. Ein besseres Verständnis dieser Struktur könnte neue Therapieansätze für sensorineuralen Hörverlust eröffnen.
Der Rauschfloor ist das niedrigste, konstante Hintergrundrauschen eines elektronischen oder akustischen Systems in Abwesenheit eines Eingangssignals. In Hörgeräten definiert er die untere Grenze der Verstärkung, da leise Umweltgeräusche sonst vom Eigenrauschen überdeckt würden. Ein niedriger Rauschfloor ist wünschenswert, um schwache Signale klar hörbar zu machen, ohne dass der Nutzer ein permanentes Brummen wahrnimmt. Technische Maßnahmen wie Rauschunterdrückungsalgorithmen und hochwertige Bauteile senken den Rauschfloor. Audiologische Messungen dokumentieren den Rauschfloor bei Kalibrierung und Qualitätskontrolle von Hörsystemen.
Reafferente Signale sind sensorische Rückmeldungen, die während des eigenen Sprechens entstehen, wenn Schall über Luft- und Knochenleitung zum Ohr gelangt. Sie ermöglichen die Selbstüberwachung der Lautstärke, Tonhöhe und Artikulation und steuern den phonatorischen Reflex. Bei Hörverlust oder Maskierung dieser Signale leidet die Sprechmodulation, was zu zu lauter oder leiser Stimme führt. In Cochlea‑Implantat‑Trägern wird Reafferentation durch direkte elektrische Stimulation teilweise wiederhergestellt. Forschungsarbeiten untersuchen, wie verstärktes Reafferent‑Feedback Sprachtherapieerfolge verbessern kann.
Recruitment bezeichnet eine pathologisch veränderte Lautheitsempfindung, bei der laute Töne plötzlich sehr viel lauter wahrgenommen werden, während leise Töne nicht gehört werden. Dieser Effekt tritt bei sensorineuralem Hörverlust auf, wenn die Kompressionseigenschaften der Cochlea gestört sind. Klinisch wird Recruitment über Loudness‑Scaling‑Tests und Bekesy‑Audiometrie erfasst. In Hörgeräten wird Recruitment durch angepasste Kompressionsalgorithmen kompensiert, um Komfort und Verständlichkeit zu verbessern. Ohne Kompensation empfinden Betroffene laute Geräusche als unangenehm oder schmerzhaft.
Reflexaudiometrie misst akustisch evozierte Muskelreflexe im Mittelohr (Stapediusreflex) und Gesichtsnervenbereich, um Funktion von Mittelohr und Hirnstammpfaden zu prüfen. Ein Testreiz (Ton, Breitbandrauschen) löst eine Impedanzänderung aus, die mit Tympanometrie aufgezeichnet wird. Reflexschwelle und -latzenz liefern Hinweise auf Schallleitung, Nervenintegrität und zentrale Verarbeitung. Asymmetrische oder fehlende Reflexe deuten auf Otosklerose, Nervenläsion oder zentrale Störungen hin. Reflexaudiometrie ergänzt Ton‑ und Sprachaudiometrie um objektive Diagnostikdaten.
Der Regelkreis Ohr beschreibt Feedback‑Schleifen zwischen Hörsystem, Gehirn und Rückkopplungsmechanismen wie dem Stapediusreflex. Er reguliert Verstärkung, Schutzreflexe und phonatorische Anpassungen, um Homöostase im auditorischen System zu erhalten. Störungen im Regelkreis führen zu Hyperakusis, Tinnitus oder mangelnder Lautstärkekontrolle. Computermodelle des Regelkreises unterstützen Entwicklung adaptiver Hörgerätetechnologien. Verständnis der Regelkreisdynamik ist entscheidend für gezielte Therapien und Reha‑Strategien.
Die Reizschwelle ist der minimale Reizpegel (Schalldruck, Spannung), der eine messbare physiologische oder psychische Reaktion auslöst. In der Audiologie entspricht sie der Hörschwelle, definiert für jede Frequenz im Audiogramm. Auch in evozierte Potentialmessungen (ABR, ECochG) spricht man von Reizschwelle als niedrigstem Pegel, der noch ein Signal erzeugt. Reizschwellen sind Basisdaten für Versorgungsentscheidungen und Anpassalgorithmen in Hörgeräten. Veränderungen über Zeit dokumentieren Progression oder Therapieeffekte.
Die auditorische Reizweiterleitung umfasst mechanische, chemische und elektrische Prozesse vom Außenohr bis zum auditorischen Kortex. Schallwellen werden über Trommelfell und Knöchelchenkette in Cochlea‑Flüssigkeiten übertragen, wo Haarzellen elektrochemische Signale erzeugen. Afferente Nervenfasern leiten Aktionspotenziale über Hirnstammstationen zum Kortex weiter. Jedes Relais extrahiert spezifische Merkmale wie Zeit- oder Pegeldifferenzen. Störungen entlang der Kette führen zu unterschiedlichen Formen von Hörverlust und Verarbeitungsdefiziten.
Resonanz ist die Verstärkung von Schwingungen, wenn die Anregungsfrequenz mit der Eigenfrequenz eines Systems übereinstimmt. Im Ohr bewirken Resonanzen des Gehörgangs und der Cavum conchae eine Betonung bestimmter Sprachfrequenzen um 2–4 kHz. Technische Resonatoren wie Helmholtz‑Filter in Hörgeräten nutzen dasselbe Prinzip, um Klangspektren zu formen. Übermäßige Resonanz kann zu Klangfärbung und Rückkopplungen führen. Raumakustische Resonanzen (Raummoden) werden durch Dämpfung und Diffusoren kontrolliert.
Resthörvermögen bezeichnet das verbleibende, noch nutzbare Gehör bei Hörverlust und wird im Audiogramm als Differenz zwischen Hörschwelle und Komfortschwelle definiert. Es bestimmt, welche Signalanteile ohne Verstärkung wahrgenommen werden und welche durch Hörgerät ergänzt werden müssen. Ein größeres Resthörvermögen verbessert Sprachverständnis und erleichtert Hörgeräteakzeptanz. Messungen von Resthörvermögen fließen in die Wahl der Kompressionsparameter und Verstärkungsgrenzen ein. Veränderungen des Resthörvermögens über Zeit zeigen Progression oder Therapieerfolg.
Eine retrocochleäre Läsion betrifft das Hörsystem jenseits der Cochlea, meist im Bereich des Nervus vestibulocochlearis oder höher im Hirnstamm. Sie führt zu zentralen Hörbahnstörungen, die sich in Kombinationstests (z. B. ABR-Latenzverlängerung) und im Sprachverständnistest äußern können. Betroffene haben oft diskordante Befunde, etwa normales Otoakustisches Emissionsmuster, aber gestörte evozierte Potentiale. Ursachen sind Akustikusneurinome, multiple Sklerose oder vaskuläre Infarkte. Die Diagnostik erfordert bildgebende Verfahren wie MRT zur Lokalisierung und Verlaufskontrolle.
Der retrolabyrinthäre Raum, auch Vestibularraum genannt, liegt hinter dem knöchernen Labyrinth und umfasst Hirnnerven, Gefäße und Bindegewebe zwischen Labyrinth und Kleinhirnbrückenwinkel. Er ist klinisch relevant bei Tumoren (z. B. Akustikusneurinom) und entzündlichen Prozessen, die Schwindel und Hörverlust verursachen. Operationen in diesem Gebiet erfordern schonendes intraoperatives Monitoring der auditorischen Hirnstammausgänge. Die anatomische Kenntnis des Retrolabyrinthraums ist essenziell für Zugänge in der Otoneurochirurgie. Postoperative Bildgebung kontrolliert Resektionsvollständigkeit und Komplikationen.
Die Rezeptoren im Innenohr sind die inneren und äußeren Haarzellen auf der Basiliarmembran des Corti‑Organs. Sie wandeln mechanische Schwingungen in elektrochemische Signale um, indem Stereozilien mechanosensitive Ionenkanäle öffnen. Innere Haarzellen kodieren primär die akustische Information, während äußere Haarzellen den cochleären Verstärker durch aktive Rückkopplung realisieren. Schäden an diesen Rezeptoren, etwa durch Lärm oder Ototoxine, führen zu sensorineuralem Hörverlust und vermindertem Frequenzauflösungsvermögen. Forschung zielt darauf ab, Rezeptoren durch Gentherapie oder Stammzellen zu regenerieren.
Die reziproke Hemmung im Stapediusreflex beschreibt die neurologische Gegenschaltung, bei der Aktivierung des Musculus stapedius die Kontraktion des Tensor tympani hemmt. Diese wechselseitige Hemmung optimiert die Mittelohrmechanik, indem sie Überdämpfung vermeidet und die Reflexanpassung an unterschiedliche Lärmarten ermöglicht. Ein intakter reziproker Mechanismus sorgt für ausgewogene Schutzreflexe bei impulsartigem und kontinuierlichem Schall. Pathologische Störungen der reziproken Hemmung können zu reduzierter Reflexamplitude und erhöhter Lärmsensitivität führen. Die Untersuchung erfolgt durch kombinierte Reflexaudiometrie und EMG-Messungen.
Im superioren Olivenkernkomplex im Hirnstamm bestehen reziproke Verbindungen zwischen den linken und rechten Kerngebieten, die interaurale Zeit- und Pegelinformationen kontralateral austauschen. Diese Vernetzung ermöglicht die binaurale Verarbeitung und exakte Lokalisation von Schallquellen. Jede Kernhälfte hemmt dabei die Gegenseite in Abhängigkeit von der Pegeldifferenz, um Kontrastverstärkung zu erzielen. Reziproke Verbindungen sind grundlegend für Funktionen wie den binauralen Maskierungsvorteil. Läsionen dieser Vernetzung führen zu zentralen Hörverarbeitungsstörungen und schlechterer Richtungswahrnehmung.
Ein Richtmikrofon ist ein Mikrofontyp, der bevorzugt Schall aus einer bestimmten Richtung – meist vorne – aufnimmt und seitlich bzw. rückseitig ankommende Geräusche dämpft. In modernen Hörgeräten verbessert es das Signal‑zu‑Rausch‑Verhältnis, indem es Störschall aus anderen Richtungen reduziert. Verschiedene Richtcharakteristiken (Nieren‑, Superniere‑, Kugel‑) erlauben Anpassung an spezifische Hörsituationen. Adaptive Systeme wechseln automatisch zwischen Richt- und Omni‑Modus, je nach Umgebungsgeräusch. Richtmikrofone erhöhen das Sprachverstehen insbesondere in geräuschvollen Umgebungen.
Der Rinne‑Test ist ein klinischer Hörtest, bei dem eine Stimmgabel abwechselnd am Mastoid (Knochenleitung) und vor dem Ohr (Luftleitung) gehalten wird. Ein positives Rinne‑Ergebnis (Luftleitung besser als Knochenleitung) spricht für normales oder sensorineurales Hören. Ein negatives Ergebnis weist auf eine Schallleitungsschwerhörigkeit im getesteten Ohr hin. Der Test ist schnell durchführbar und dient der ersten Differenzierung zwischen Schallleitungs‑ und Schallempfindungsverlust. Ergänzend kommt der Weber‑Test zum Einsatz, um Lateralisierung zu prüfen.
Der Röhrenklang, auch Paukenklang genannt, ist ein Hohl‑ oder Röhren‑ähnliches Klangmuster, das der Patient bei Ohrenspülungen oder bei dünnem Trommelfell wahrnimmt. Er entsteht, wenn Schallwellen im luftgefüllten Mittelohr durch Flüssigkeitspartikel moduliert werden. Klinisch hilft das Hören dieses Phänomens, einen Erguss oder Trommelfellperforation zu diagnostizieren. Spezifische Audiometrietöne können den Röhrenklang in der Audiometrie nachstellen. Therapeutisch wird jede Paukenklang-Symptomatik mit gezielter Otitis‑Behandlung oder Paukenröhrchenversorung adressiert.
Akustische Rückkopplung entsteht, wenn das vom Lautsprecher abgestrahlte Signal wieder über das Mikrofon aufgenommen und erneut verstärkt wird, was zu einer Feedback‑Schleife mit Pfeifen oder Brummen führt. In Hörgeräten und öffentlichen Beschallungssystemen wird Feedback durch adaptive Algorithmen, enge Otoplastiken oder Richtmikrofone unterdrückt. Mechanische Maßnahmen wie Dichtung und Mikrofonplatzierung minimieren das Rückkopplungsrisiko. Unkontrollierte Rückkopplung kann Hörkomfort und Sprachverständnis stark beeinträchtigen. Moderne Systeme detektieren Feedback frühzeitig und passen Filter in Echtzeit an.
Das Rundfenster ist eine flexible Membranöffnung am Ende der Scala tympani, die eine Druckentlastung ermöglicht, wenn das ovale Fenster durch den Steigbügel mechanisch angeregt wird. Sie sorgt für Konstanz des Flüssigkeitsvolumens in der Cochlea und ermöglicht Wanderwellen auf der Basiliarmembran. Verletzungen oder Versteifungen des Rundfensters, etwa durch Chirurgie oder Trauma, führen zu Schallleitungsproblemen und können einen Perilymphfistel auslösen. Klinisch wird das Rundfenster bei Cochlea‑Implantationen als Zugangspunkt genutzt. Pathologische Veränderungen erkennt man in CT-Aufnahmen und per Tympanogramm‑Analyse.
Die Rundfenstermembran ist eine dünne, gallertartige Membran, die das Rundfenster verschließt und mechanische Flexibilität bietet. Sie überträgt Druckschwankungen aus der Scala tympani in das Perilymph und wirkt als passives Entlastungsventil. Ihre Elastizität und Dicke variieren entlang der Membran und beeinflussen die Impedanzanpassung. Beschädigungen führen zu Perilymphverlust, Schwindel und Hörminderung. In mikrochirurgischen Eingriffen wird die Membran bei Perilymphfistel durch Füllmaterialien rekonstruiert, um Dichtheit wiederherzustellen.