HÖRST
Glossar
U
Überempfindlichkeit im akustischen Kontext beschreibt eine erhöhte Lautstärke-Wahrnehmung, bei der selbst normale Alltagsgeräusche als unangenehm oder schmerzhaft erlebt werden. Sie kann Folge von Hyperakusis sein, sich aber auch temporär nach Lärmexposition oder stressbedingten zentralen Modifikationen einstellen. Diagnostisch werden Unbehaglichkeitsschwellen (UCL) bestimmt, um den Grad der Überempfindlichkeit zu quantifizieren. Therapeutische Ansätze umfassen schrittweise Desensibilisierung mit kontrollierten Rauschreizen und kognitive Verhaltenstherapie, um emotionale Belastung zu reduzieren. In der Hörgeräteanpassung wird Kompression sorgfältig eingestellt, um Überempfindlichkeit nicht zu verstärken.
Eine Übertragungsstörung im Hören bezeichnet jede Functionseinschränkung, bei der Schall nicht effizient durch die Luftleitung oder Knochenleitung ins Innenohr gelangt. Ursachen sind etwa Cerumenpfropfen, Trommelfellperforationen oder ossikuläre Fixationen wie Otosklerose. Klinisch zeigt sich eine Spreizung zwischen normalen Knochen‑ und erhöhten Luftleitungsschwellen im Audiogramm. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache: Chirurgische Rekonstruktion, Entfernung von Hindernissen oder Einsatz von Knochenleitungshörsystemen. Regelmäßige Tympanometrie und Otoskopie verfolgen den Therapieerfolg.
Die uditorische Adaptation ist die Abnahme der Lautstärkeempfindung bei andauernder oder wiederholter Schallreizung, um das auditorische System vor Dauerüberreizung zu schützen. Sie manifestiert sich als Anstieg der Hörschwelle für fortgesetzte Dauertöne oder Rauschen über Zeit. Adaptationsmechanismen finden in Haarzellen, cochleären Synapsen und zentralen auditorischen Bahnen statt. In der Hörgerätetechnik werden adaptive Kompressionsalgorithmen entwickelt, die diese natürlichen Prozesse nachahmen, um Klangkonstanz zu wahren. Fehlende oder verlangsamte Adaptation kann zu Ermüdungserscheinungen und Unbehagen führen.
Uditorische Ermüdung bezeichnet die vorübergehende Verringerung der Lautheitsempfindung und Hörschärfe nach längerer Exposition gegenüber Schall, insbesondere bei hohen Pegeln. Sie äußert sich in erhöhten Hörschwellen und verringerter Diskriminationsfähigkeit, die sich nach Ruhephasen erholen. Mechanismen liegen in der Ermüdung der Haarzellen, synaptischen Erschöpfung und zentralen Anpassungsprozessen. Audiologisch wird die Ermüdung mit Tests vor und nach Lärmbelastung quantifiziert, um Risikogrenzen für Gehörschutz festzulegen. Rehabilitation durch gestaffelte Hörpausen und programmiertes „Erholungs-Rauschen“ unterstützt Regeneration.
Die uditorische Filterung beschreibt die Fähigkeit des Gehörs, relevante Schallanteile (z. B. Sprache) von Störgeräuschen zu trennen, basierend auf Frequenz‑, Zeit‑ und räumlichen Cues. In der Cochlea wirken Basiliarmembran‑, Rezeptor‑ und neuronale Filter, die bestimmte Frequenzbänder betonen oder dämpfen. Zentrale Filtermechanismen in Hörbahn und Kortex selektieren Signale nach Bedeutung und Kontext. In Hörgeräten wird dies durch Mehrbandfilter, Rauschunterdrückung und Richtmikrofone technisch nachgebildet. Eine effiziente Filterung verbessert Sprachverständnis in lauten Umgebungen und mindert kognitive Belastung.
Uditorische Lokalisation ist die Fähigkeit, die Richtung und Entfernung einer Schallquelle zu bestimmen. Sie basiert auf interauralen Zeit‑ (ITD) und Pegeldifferenzen (ILD), sowie spektralen Filtereffekten der Ohrmuschel und Kopf‑Rumpf‑Transferfunktionen. Zentrale Verarbeitungszentren im Hirnstamm (Olivenkomplex) kombinieren diese Cues, um räumliches Hören zu realisieren. Beschädigungen der binauralen Signalverarbeitung führen zu Lokalisationseinschränkungen und geringerer Situationssicherheit. Hörsysteme mit binauraler Vernetzung unterstützen natürliche Lokalisation, indem sie Cues synchron erhalten.
Uditorische Maskierung beschreibt das Phänomen, dass laute Töne leise Töne gleicher oder benachbarter Frequenzen überdecken und deren Wahrnehmung verhindern. Intern entstehen dabei kritische Bänder, in denen Masker-Energie besonders wirksam ist. Maskierung wird in der Audiometrie als diagnostisches Instrument verwendet und in Hörgeräten zum Tinnitus‑Maskieren oder Rauschunterdrücken eingesetzt. Adaptive Maskierungsfilter berücksichtigen individuelle kritische Bandbreiten für effektive Störungsunterdrückung. Psychoakustische Maskierungseffekte sind grundlegend für Kompressions‑ und Rauschmanagement‑Algorithmen.
Uditorische Plastizität ist die Fähigkeit des auditorischen Systems, sich strukturell und funktionell an veränderte akustische Reize oder Hörverluste anzupassen. Sie umfasst Synapsenneubildung, Kortex‑Umorganisation und veränderte Hörbahnverknüpfungen. Plastizität ermöglicht Erholung nach Hörsturz, Anpassung an Hörgeräte und Cochlea‑Implantate sowie Erlernen neuer Hörstrategien. Rehabilitationstrainings und musikalisches Hören fördern plastische Prozesse und verbessern Sprachverständnis und Klangwahrnehmung. Mit zunehmendem Alter nimmt die Plastizität ab, weshalb frühzeitige Interventionen empfehlenswert sind.
Die uditorische Schwelle ist der minimal wahrnehmbare Schalldruckpegel für einen Reiz bei gegebener Frequenz und Dauer. Sie wird im Audiogramm als Hörschwelle für Töne (dB HL) dokumentiert und bildet die Basisdiagnostik für Hörverlust. Verschiebungen der Schwelle um mehr als 20 dB von der Norm deuten auf Hörminderungen hin. Verschiedene Schwellenarten – absolute, terminale und Unbehaglichkeitsschwwelle – charakterisieren das gesamte dynamische Hörerleben. Wiederholte Schwellenmessungen ermöglichen Verlaufskontrollen bei Therapie oder Lärmschutzmaßnahmen.
Die uditorische Verarbeitung umfasst alle zentralen neuronalen Mechanismen, die akustische Signale von der Cochlea zum Kortex transformieren und interpretieren. Sie schließt zeitliche und spektrale Analysen, Mustererkennung und Sprachverstehen ein. Störungen der Verarbeitung – etwa bei zentral-auditorischen Verarbeitungsstörungen – führen trotz normaler peripherer Funktion zu Verständnisschwierigkeiten. Diagnostische Verfahren wie evozierte Potentiale und dichotische Tests prüfen die Verarbeitungsebenen. Rehabilitation durch Hörtraining nutzt plastische Anpassung, um defizitäre Verarbeitungskomponenten zu stärken.
Die uditorische Wahrnehmung bezeichnet das bewusste Erleben von Klangmerkmalen wie Lautstärke, Tonhöhe, Klangfarbe und räumlicher Lage. Sie entsteht durch Integration peripherer Reize und kognitiver Prozesse im auditorischen Kortex und assoziierten Arealen. Wahrnehmungsphänomene wie Gestaltbildung (Auditory Scene Analysis) und Aufmerksamkeitssteuerung bestimmen, welche Schallquellen im Fokus stehen. Messungen der Wahrnehmung erfolgen psychophysisch durch Schwellen‑ und Diskriminationstests. Beeinträchtigungen zeigen sich bei Tinnitus, Hidden Hearing Loss oder zentralen Störungen und erfordern gezieltes Training.
Ultrahochton sind Schallfrequenzen oberhalb des menschlichen Hörbereichs (>20 kHz). Obwohl nicht bewusst hörbar, können sie in der Außen- und Innenohrakustik Resonanzen und nichtlineare Effekte erzeugen. In der Otoakustik werden Ultrahochton-Emissionen (bis 100 kHz) genutzt, um äußere Haarzellenfunktionen hochauflösend zu prüfen. Ultraschall im Hörbereich wird in der Medizin (Doppler‑Sonographie) und Materialprüfung eingesetzt, nicht aber für konventionelle Hörtests. Forschung untersucht mögliche biologische Effekte von Ultrahochton in Hörgeräten und Umgebungslärm.
Umgebungsgeräusche sind alle akustischen Signale in der Umwelt, die nicht zum Zielreiz zählen, etwa Verkehrslärm, Gespräche oder Maschinenbetrieb. Sie beeinflussen das Sprachverständnis, die Hörermüdung und die Leistung von Hörgeräten. Audiologen messen Signal‑zu‑Rausch‑Verhältnisse (SNR) in typischen Alltagssituationen, um Versorgungskonzepte zu optimieren. Rauschunterdrückungsalgorithmen und Richtmikrofone in Hörsystemen reduzieren störende Umgebungsgeräusche. In der Raumplanung dienen Lärmkarten und akustische Simulationen der Kontrolle von Umgebungspegeln.
Die Unbehaglichkeitsschwelle (UCL, uncomfortable‑level) ist der Schalldruckpegel, ab dem ein Ton als unangenehm oder schmerzhaft empfunden wird. Sie liegt typischerweise 80–100 dB HL oberhalb der Hörschwelle und variiert individuell mit Frequenz und Hörstatus. UCL‑Messungen sind wichtig für die Einstellung der maximalen Ausgangsleistung von Hörgeräten, um Überverstärkung zu vermeiden. Abweichungen können auf Hyperakusis oder zentral-auditorische Fehlregulation hinweisen. Verlaufskontrollen der UCL helfen, Komfortparameter situativ anzupassen.
Die Unterschiedsschwelle (Just‑Noticeable Difference, JND) ist die kleinste wahrnehmbare Differenz eines akustischen Reizes, z. B. in Lautstärke oder Frequenz. Sie wird mit Verfahren wie der Zweifachvergleichsmethode bestimmt und ist frequenz‑ sowie pegelabhängig. Typische Lautstärke‑JND liegen bei etwa 1 dB, Frequenz‑JND bei 0,2–1 % der Trägerfrequenz. In Hörgeräten fließen JND‑Werte in die Feineinstellung von Kompression und Filterbandbreiten ein. Vergrößerte JND deuten auf verringerte Auflösung und können Sprachverständnisprobleme erklären.