HÖRST
Glossar
M
Die Makulaorgane (Sacculus und Utriculus) sind Teile des vestibulären Labyrinths und registrieren lineare Beschleunigungen und Schwerkrafteinflüsse. Sie enthalten haargefüllte Sinneszellen, deren Stereozilien in eine gallertartige Membran eingebettet sind, die mit Otolithen (Kalziumkarbonat-Kristallen) beschwert ist. Verschiebungen der Otolithen bei Kopfneigung oder Beschleunigung biegen die Stereozilien und lösen so Nervenimpulse aus. Diese Informationen werden über den vestibulären Anteil des VIII. Hirnnervs an das Gehirn geleitet und mit visuellen und propriozeptiven Daten zur Lagebestimmung kombiniert. Schädigungen der Makulaorgane führen zu Unsicherheit beim Stehen und Gehen sowie zu pathologischem Schwanken.
Ein Malformationssyndrom des Ohrs umfasst angeborene Fehlbildungen von Außenohr, Mittelohr oder Innenohr, oft im Rahmen genetischer Syndrome wie Goldenhar‑ oder Treacher‑Collins‑Syndrom. Betroffene zeigen Ohrmuschel‑Anlagen (Mikrotie, Anotie), Gehörgangsatresie oder cochleäre Fehlbildungen. Hörverlust reicht von leichter Leitungsschwerhörigkeit bis zu kompletter Taubheit, je nach Ausmaß der Fehlbildung. Therapie umfasst chirurgische Rekonstruktion, Knochenleitungshörsysteme oder Cochlea‑Implantate. Multidisziplinäre Betreuung durch HNO‑Chirurgen, Audiologen und Plastische Chirurgen ist für funktionelles und ästhetisches Ergebnis entscheidend.
Der mandibuläre Reflex, auch Kinnreflex genannt, wird durch Klopfen auf den Unterkiefer ausgelöst und prüft die Trigeminus‑Motorik. Obwohl primär ein neurologischer Test, beeinflussen Kaumuskeln durch ihre Nähe den Gehörgang und können bei Kiefergelenksstörungen Ohrenschmerzen und Tinnitus begünstigen. Eine Verstärkung oder Verminderung des Reflexes kann auf zentrale oder periphere Nervenläsionen hinweisen. In der HNO-Diagnostik wird er mit anderen Hirnnervenreflexen kombiniert, um Kopfschmerz‑ und Ohrsymptome abzugrenzen. Therapie bei Fehlfunktion erfolgt durch craniomandibuläre Therapie und Physiotherapie.
Maskierung ist das überlagern eines Testsignals mit einem Rausch- oder Tonmasker, um zu verhindern, dass das nicht-testete Ohr bei der Audiometrie mitreagiert (Cross‑Hearing). Sie ist notwendig, wenn die Pegeldifferenz zwischen Luft‑ und Knochenleitung eine ungewollte Wahrnehmung im Gegenohr erlaubt. Maskierungspegel werden nach standardisierten Regeln berechnet, um Validität der Schwellenbestimmung sicherzustellen. Psychoakustisch bezeichnet Maskierung auch die Unterdrückung leiserer Töne durch laute Nachbarfrequenzen. In Hörgeräten nutzt man gezielte Maskierung, um Tinnitus zu überdecken oder Störgeräusche zu reduzieren.
Das Mastoid (Processus mastoideus) ist der knöcherne Vorsprung hinter der Ohrmuschel, der luftgefüllte Zellen enthält und Teil des Schläfenbeins ist. Es dient als Puffer für Mittelohrentzündungen, kann aber selbst bei chronischer Otitis media entzündet werden (Mastoiditis). Klinisch tastet man das Mastoid auf Druckschmerz und Schwellung, um Komplikationen zu erkennen. Bildgebende Verfahren (CT) zeigen Zellstruktur und Ausdehnung entzündlicher Prozesse. Chirurgische Mastoidektomie entfernt erkranktes Gewebe und erhält Hörfunktion.
Der Meatus acousticus externus ist der äußere Gehörgang, der Schall vom Aurikel zum Trommelfell leitet. Er besteht aus knöchernem und knorpeligem Anteil und ist mit Haut und Cerumendrüsen ausgekleidet. Cerumenbildung und Exostosen können den Meatus verengen und zu Schallleitungsstörungen führen. Otoskopische Untersuchung prüft Weite, Hautzustand und Fremdkörper. In der Hörgeräteversorgung ist ein passgenauer Sitz des Ohrpassstücks im Meatus entscheidend für Dämpfung und Rückkopplungsfreiheit.
Die medialen Olivenkernkomplexe im Hirnstamm sind zentrale Schaltstationen der binauralen Hörverarbeitung. Sie vergleichen interaurale Zeitdifferenzen (ITD), um die Richtung tieffrequenter Schallquellen zu bestimmen. Neurone in diesen Kernen feuern phasensynchron zu den Schallwellen und leiten Information an höhere auditorische Zentren weiter. Läsionen führen zu Richtungshörstörungen und vermindertem Sprachverstehen in Lärm. Forschung nutzt Elektrodenableitungen, um die präzise zeitliche Kodierung in den Olivenkernen zu analysieren.
In der Audiologie bezeichnet Membran meist das Trommelfell, eine dreischichtige Struktur, die Schallenergie in mechanische Schwingungen umsetzt. Sie trennt Außenohr und Mittelohr und überträgt Schwingungen über die Knöchelchenkette ans Innenohr. Veränderungen in Dicke, Spannung oder Integrität – etwa Perforationen – beeinflussen Impedanz und Hörvermögen. Die Membran spielt auch in Otoakustischen Emissionen eine Rolle, da ihre Rückstrahlungen messbar sind. Chirurgische Reparaturen (Tympanoplastik) rekonstruieren beschädigte Membranen, um Schallleitung wiederherzustellen.
Die Membrana tectoria ist eine gallertartige Deckmembran im Corti‑Organ, die über den Haarzellen liegt und deren Stereozilien bei Schallinduktion bürstet. Sie überträgt Wanderwellen der Basiliarmembran in laterale Bewegungen der Haarzellenstereozilien, was die mechano‑elektrische Transduktion auslöst. Unterschiede in Steifigkeit und Masse der Membrana tectoria entlang der Cochlea beeinflussen die Frequenzselektivität. Schädigungen oder Ablösungen dieser Membran führen zu Hörverlust und beeinträchtigen Tonotopie. Forschungsansätze prüfen Biomaterialien zur Regeneration der Membrana tectoria nach Lärmschäden.
Die Menière‑Krankheit ist eine Innenohrerkrankung, gekennzeichnet durch Anfälle von Drehschwindel, Fluktuationen des Hörvermögens, Tinnitus und Ohrdruck. Pathophysiologisch liegt ein endolymphatischer Hydrops vor, also eine Überfüllung des Ductus cochlearis und der Bogengänge mit Endolymphe. Die Diagnose stützt sich auf klinische Kriterien, Audiogramme und Ausschluss anderer Ursachen. Therapie umfasst Diuretika, intratympanische Gentamicin‑Gaben zur vestibulären Ablation und vestibuläres Training. Trotz chronischem Verlauf kann Symptomkontrolle die Lebensqualität deutlich verbessern.
Das Mesotympanon ist der mittlere Abschnitt der Paukenhöhle im Mittelohr zwischen Epitympanon und Hypotympanon. Es enthält die Gehörknöchelchenkette und den Steigbügelansatz am ovalen Fenster. Pathologien wie Erguss oder Cholesteatom manifestieren sich häufig im Mesotympanon und beeinträchtigen Schallleitung. Chirurgische Eingriffe (Tympanotomie) zielen darauf ab, dieses Areal zu reinigen und zu belüften. Tympanometrie kann indirekt den Druck und das Volumen im Mesotympanon abschätzen.
Misophonie ist eine neurologisch‑psychiatrische Störung, bei der bestimmte Alltagsgeräusche (z. B. Kauen, Tippen) intensive negative Emotionen wie Ärger oder Ekel auslösen. Betroffene reagieren mit erhöhter Stressantwort, was soziale Interaktion und Lebensqualität stark einschränkt. Die genauen Mechanismen sind noch unklar; es wird eine Fehlverknüpfung zwischen auditorischen Arealen und limbischem System vermutet. Therapieansätze umfassen kognitive Verhaltenstherapie, Tinnitus‑Desensibilisierung und Achtsamkeitsübungen. Audiologische Untersuchungen schließen organische Hörstörungen aus, um die Diagnose zu sichern.
Das Mittelohr ist ein luftgefüllter Hohlraum, der Trommelfell, Gehörknöchelchenkette (Hammer, Amboss, Steigbügel) und die Ohrtrompete (Eustachische Röhre) umfasst. Es passt Schalldruck von Luftleitung an die Flüssigkeitsleitung der Cochlea an und schützt durch Reflexe vor lauten Geräuschen. Erkrankungen wie Otitis media, Otosklerose oder Cholesteatom beeinträchtigen die Schallleitung und führen zu Hörverlust. Diagnostik erfolgt per Otoskopie, Tympanometrie und Audiometrie. Chirurgische Eingriffe wie Stapedotomie oder Paukenröhrchen verbessern Belüftung und Leitfähigkeit.
Die Mittelohrentzündung (Otitis media) ist eine entzündliche Erkrankung der Paukenhöhle, häufig viral oder bakteriell ausgelöst. Sie verursacht Ohrenschmerzen, Fieber, Hörminderung und kann zu Ergussbildung führen. Bei chronischer Otitis media drohen Komplikationen wie Trommelfellperforation oder Cholesteatom. Behandlung umfasst Antibiotika, Schmerztherapie und bei Ergussbildung Paukenröhrchen. Prävention durch Impfung (Pneumokokken) und Behandlung von Racheninfekten reduziert Inzidenz.
Der Modiolus ist die zentrale, knöcherne Achse der Cochlea, um die sich die Windungen der Schnecke winden. Er enthält Nervenfasern des Hörnervs, die von den Haarzellen zum Hirnstamm ziehen. Die enge räumliche Anordnung im Modiolus erleichtert die elektrische Stimulation bei Cochlea‑Implantation. Pathologien wie Fibrose des Modiolus können die Implantatfunktion beeinträchtigen. In der Bildgebung wird der Modiolus zur Planung chirurgischer Zugänge vermessen.
Monaurales Hören bezeichnet das Hören mit nur einem Ohr, wodurch binaurale Vorteile wie Lokalisation und Lärmunterdrückung entfallen. Betroffene kompensieren häufig durch Kopfbewegungen und visuelle Hinweise. Audiologisch zeigt sich ein monaurales Audiogramm, Maskierung ist nicht erforderlich. Monaurale Versorgung mit nur einem Hörgerät kann Sprachverständnis in ruhiger Umgebung erhalten, in Lärm jedoch stark eingeschränkt sein. Strategien zur Unterstützung umfassen FM‑Anlagen und Raumakustikoptimierung.
Die Mondini‑Dysplasie ist eine angeborene Fehlbildung der Cochlea mit reduzierten Windungen (meist 1–1,5 statt 2,5). Sie gehört zum Spektrum der inneren Ohrfehlbildungen und führt in unterschiedlichem Ausmaß zu sensorineuralem Hörverlust. Häufig sind auch vestibuläre Strukturen betroffen, was Schwindel verursachen kann. Diagnostik umfasst hochauflösendes CT und Hörtests, Therapie oft Cochlea‑Implantation. Frühintervention verbessert Sprachentwicklung und Gleichgewichtsfunktion.
Morbus Menière ist eine chronisch-rezidivierende Erkrankung des Innenohrs, bei der endolymphatischer Hydrops mit periodischen Anfällen von Drehschwindel, Ohrdruck, Tinnitus und fluktuierendem Hörverlust einhergeht. Man spricht auch vom „Menière‑Syndrom“, wenn die Symptomatik unvollständig oder sekundär zu anderen Erkrankungen auftritt. Die Diagnose basiert auf klinischen Kriterien und dem Ausschluss anderer Schwindelursachen mittels Audiometrie und Gleichgewichtstests. Therapieansätze umfassen salzarme Diät, Diuretika, intratympanische Gentamicin‑Injektionen und vestibuläres Reha‑Training. Langfristig kann es trotz Behandlung zu irreversiblen Hörverlusten in den betroffenen Frequenzbereichen kommen.
Der Musculus stapedius ist der kleinste quergestreifte Skelettmuskel des Körpers und entspringt am Pyramidenschenkel des Felsenbeins. Er ist über eine Sehne mit dem Steigbügel verbunden und zieht diesen bei stimmulierendem Hochpegelkontrast reflexartig zurück. Diese Kontraktion – der Stapediusreflex – reduziert die Schallübertragung auf das Innenohr und schützt es vor schädlich lauten Geräuschen. Seine Funktion wird in der Tympanometrie durch Messung der Änderung der Mittelohrimpedanz bei akustischer Reizung überprüft. Eine Beeinträchtigung des Musculus stapedius, etwa durch Nervenläsionen, führt zu erhöhter Lärmsensitivität und Hörstörungen.
Der Stapediusreflex ist ein akustisch ausgelöster Muskelreflex, bei dem der Musculus stapedius sich bei Pegeln oberhalb von etwa 70–90 dB SPL kontrahiert. Diese Versteifung der Gehörknöchelchenkette dämpft laute Impulse und schützt die sensiblen Haarzellen im Innenohr. Der Reflex wird diagnostisch mit Tympanometriegeräten gemessen, die Änderungen in Impedanz und Reflexlatenz aufzeichnen. Ein fehlender oder asymmetrischer Reflex kann auf Otosklerose, Gesichtsnervläsion oder zentrale Hörbahnstörung hinweisen. Reflexparameter liefern wichtige Hinweise zur Differenzialdiagnose von Mittelohr- und neuralen Pathologien.
Myoelektrische Stimulation nutzt elektrische Impulse, um Muskulatur gezielt zu aktivieren und therapeutisch zu trainieren oder zu entspannen. In der HNO-Praxis kann sie zur Behandlung von Tinnitus, chronischer Muskulaturverspannung im Kiefer‑Gesichts‑Bereich und zur Verbesserung der Tubenfunktion eingesetzt werden. Elektroden applizieren durch die Haut schwache Gleich- oder Wechselströme, die Muskelkontraktionen auslösen. Patienten berichten über Schmerzlinderung und verbesserte Funktionalität nach regelmäßigen Sitzungen. Wissenschaftliche Studien prüfen derzeit optimalen Stimulationsparameter und Langzeiteffekte.
Myringitis ist eine Entzündung des Trommelfells, die durch virale oder bakterielle Infektion, übermäßige Wärme oder chemische Reize ausgelöst werden kann. Betroffene klagen über akute Ohrenschmerzen, Rötung und Schwellung des Trommelfells sowie gelegentlich Flüssigkeitsaustritt. Klinisch erkennt man die Myringitis otoskopisch an einer eingetrübten oder hyperämischen Membran. Die Behandlung umfasst Analgetika, ggf. topische Antibiotika und Vermeidung weiterer Reizfaktoren. Komplikationen wie Perforation oder chronische Entzündung sind selten, aber möglich.
Die Myringoplastik ist ein chirurgischer Eingriff zur Rekonstruktion des Trommelfells bei Perforationen, meist unter Zuhilfenahme eines Bindegewebstransplants (z. B. Faszie oder Perichondrium). Ziel ist die Wiederherstellung der Schallleitung und Verhinderung von Rezidiv‑Otorrhoe. Der Zugang erfolgt oft retroaurikulär oder endaural, gefolgt von mikrochirurgischer Naht und Abdeckung des Defekts. Erfolgsraten für dauerhaften Trommelfellverschluss liegen bei über 85 %. Postoperative Audiometrie überprüft den Hörgewinn, und Hygienemaßnahmen senken Infektionsrisiko.
Die Myringoskopie ist die visuelle Inspektion des Trommelfells und der Paukenhöhle mithilfe eines Otoskops oder Operativen Mikroskops. Sie erlaubt Beurteilung von Farbe, Durchlässigkeit, Perforationen und anderen Pathologien der Membran. Bei Bedarf können über einen Instrumentenkanal Proben zur mikrobakteriologischen oder histologischen Untersuchung entnommen werden. Die Myringoskopie ist Routine in HNO‑Ambulanzen und Grundlage jeder Mittelohrdiagnostik. Klinisch leitete Befunde sie weiterführende Therapieentscheidungen, etwa Paukenröhrchen‑Implantation oder Myringoplastik.
Die Myringotomie ist ein kleiner Schnitt ins Trommelfell, um akuten Erguss oder Eiter aus dem Mittelohr abzulassen. Sie wird häufig in Kombination mit dem Einsetzen eines Paukenröhrchens durchgeführt, um eine dauerhafte Belüftung sicherzustellen. Die Indikation besteht bei akuten Mittelohroperationen, chronischen Ergüssen und Druckschmerz. Der Eingriff erfolgt ambulant unter Lokalanästhesie und dauert wenige Minuten. Eine rasche Entlastung führt meist zu sofortiger Druckminderung und Hörverbesserung.