HÖRST
Glossar
N
Nachhall bezeichnet das zeitlich verzögerte Wiederhallen von Schall in einem Raum, verursacht durch Reflexionen an Wänden, Decken und Einrichtungsgegenständen. Die Nachhallzeit (RT60) ist die Dauer, bis der Schalldruck um 60 dB abgefallen ist, und prägt die Sprachverständlichkeit sowie Klangqualität in Räumen. Zu lange Nachhallzeiten verschleiern Sprachsignale und erschweren das Verstehen, zu kurze erzeugen ein „totes“ Klanggefühl. In Beschallungs- und Raumakustik‑Planung werden Materialien und Geometrien so gewählt, dass ein ausgewogenes Nachhallverhalten entsteht. Hörgerätenutzer profitieren von optimierter Nachhallkontrolle, da sie die zentrale Sprachverarbeitung entlastet.
Nachverstärkung (engl. “post‑amplification”) ist eine adaptive Verstärkungsmaßnahme in Hörgeräten, die zeitverzögert auf erkannte Sprachsignale reagiert, um leise Passagen zu betonen. Anders als Echtzeit‑Kompression greift sie nachträglich ein, wenn Sprachenergie unterhalb der Komfortschwelle liegt. Dies verbessert das Sprachverständnis in dynamischen Situationen, ohne laute Impulse ungewollt aufzupegeln. Parameter wie Verzögerungszeit und Verstärkungsstärke werden individuell an das Hörprofil angepasst. Klinische Studien zeigen, dass Nachverstärkung besonders bei schnellen Lautstärkewechseln von Vorteil ist.
Der Näherungshörverlust beschreibt die abnehmende Hörfähigkeit für leise Töne, wenn der Abstand zur Schallquelle größer wird. Er basiert auf dem freien Schallausbreitungsgesetz (Abstandsgesetz), das besagt, dass Schalldruck um 6 dB pro Verdopplung der Entfernung abnimmt. Menschen mit Hörverlust sind stärker von diesem Effekt betroffen, da ihr Verstärkungsbedarf leiser Signale steigt. In der Audiologie wird der Näherungshörverlust genutzt, um Hörgeräteverstärkung für verschiedene Entfernungen zu kalibrieren. Raumakustische Maßnahmen und Nahfeldmikrofone können den Effekt kompensieren.
Nahfeldkommunikation (Near‑Field Communication) ist eine drahtlose Funktechnik im Hochfrequenzbereich (13,56 MHz), die kurze Distanzen von wenigen Zentimetern nutzt. In der Hörakustik dient NFC, um Hörgeräte per Smartphone oder Tablet zu konfigurieren und Programme zu wechseln. Die Technologie ermöglicht sicheres Pairing ohne sichtbare Kabel und spart Batterieleistung durch kurze Übertragungsstrecken. Anpass-Apps nutzen NFC, um Echtdaten‑Transfers von Audiogramm und Filtereinstellungen zu realisieren. NFC steigert Benutzerfreundlichkeit und Autonomie bei der Hörgeräteverwaltung.
Nervenfaserverzögerung bezeichnet die Zeit, die ein Aktionspotenzial benötigt, um entlang einer afferenten Hörbahn vom Innenohr zum Hirnstamm zu gelangen. Sie hängt von Faser‑Durchmesser, Myelinisierung und Temperatur ab. Verzögerungen im Millisekundenbereich sind normal und werden bei ABR‑Messungen dokumentiert. Verlängerte Latenzen deuten auf Demyelinisierung, Entzündungen oder Tumoren entlang der Hörbahn hin. Genaue Messung der Nervenfaserverzögerung hilft, Läsionsorte zu lokalisieren und Therapieverlauf zu überwachen.
Neurales Hören bezeichnet die zentrale Verarbeitung akustischer Signale im Hirnstamm und Cortex, jenseits der peripheren Haarzellenfunktion. Es umfasst Funktionen wie Zeit‑ und Pegeldifferenzenauswertung, Mustererkennung und Sprachinterpretation. Selbst bei intaktem Ohr kann neurales Hören gestört sein (z. B. zentrale auditorische Verarbeitungsstörung), was sich in normalem Audiogramm, aber schlechtem Sprachverstehen äußert. Testverfahren wie dichotisches Hören und evozierte Potentiale prüfen neurale Verarbeitungsebenen. Rehabilitation zielt auf neuronale Plastizität durch Hörtraining und kognitive Therapien ab.
Neuritis vestibularis ist eine entzündliche Schädigung des vestibulären Teils des VIII. Hirnnervs, meist viral bedingt. Sie verursacht plötzlich einsetzenden heftigen Drehschwindel, Übelkeit und Gangunsicherheit, ohne primär Hörverlust. Vestibuläre Funktionstests (Kalorik, VEMP) zeigen ipsilaterale Ausfälle. Therapie umfasst Kortikosteroide, Vestibularrehabilitation und symptomatische Begleitmedikation. Die Prognose ist meist günstig, da zentrale Kompensationsmechanismen das Gleichgewicht langfristig wiederherstellen.
Ein Neuronom ist eine tumoröse Neubildung von Nervenzellen im Gehirn oder Nervengewebe, selten im auditiven System. Im Kleinhirnbrückenwinkel können Neurinome des VIII. Hirnnervs (Akustikusneurinom) als Neuronom bezeichnet werden. Sie komprimieren Hör- und Gleichgewichtsnerv und führen zu einseitigem Hörverlust, Tinnitus und Schwindel. Diagnostik erfolgt per MRT mit Kontrastmittel, Therapie durch mikrochirurgische Resektion oder stereotaktische Radiotherapie. Früherkennung verbessert Erhalt von Nervfunktion und Lebensqualität.
Neuroplastizität ist die Fähigkeit des Nervensystems, sich strukturell und funktionell an veränderte Reize oder Schädigungen anzupassen. Im auditorischen System zeigt sie sich nach Hörverlust oder Cochlea‑Implantation durch Umorganisation von Kortexarealen. Gezieltes Hörtraining und Rehabilitation fördern plastische Prozesse und verbessern Sprachverständnis. Mit bildgebenden Verfahren (fMRI) lassen sich plastische Veränderungen dokumentieren. Plastizität ist Grundvoraussetzung für erfolgreiche Hörrehabilitation, nimmt aber mit dem Alter ab.
Neurotoxizität bezeichnet die Schädigung von Nervengewebe durch chemische Substanzen, darunter Ototoxine wie Aminoglykoside, Cisplatin oder Lösungsmittel. Im Ohr führen diese Substanzen zu Haarsellenschäden, Synapsenverlust und neuronaler Degeneration. Früherkennung erfolgt durch otoakustische Emissionen und ABR‑Monitoring während Therapie. Schutzstrategien umfassen Dosisreduktion, ototoxizitätsschützende Adjuvantien und regelmäßige Hörkontrollen. Langzeitfolgen reichen von Tinnitus bis zu irreversiblen sensorineuralen Hörverlusten.
Nichtlineare Verzerrungen entstehen, wenn ein System Schallsignale nicht proportional zum Eingangssignal verarbeitet, wodurch Obertöne und Intermodulationsprodukte erzeugt werden. In Hörgeräten können sie Klangtreue und Sprachverständnis beeinträchtigen, wenn Verstärkerstufen oder Wandler nicht optimal arbeiten. Klirrfaktor‑Messungen quantifizieren den Grad nichtlinearer Verzerrung und helfen bei der Auswahl und Kalibrierung von Hörsystemen. Digitale Signalprozessoren verwenden lineare Vorentzerrung und Feedback‑Unterdrückung, um Verzerrungen zu minimieren. Starke Verzerrungen können zusätzlich neurologische Verarbeitungsaufwände erhöhen und Hörermüdung fördern.
Noise‑Cancelling ist eine aktive Technik zur Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen, bei der ein Mikrofon das Störsignal aufnimmt, in Echtzeit invertiert und dem Nutzsignal beigemischt wird. Das Ergebnis ist, dass störende niederfrequente und konstante Geräusche — etwa Fluglärm oder Klimaanlagenbrummen — effektiv reduziert werden. In Hörgeräten und Kopfhörern verbessert Noise‑Cancelling Sprachverständnis in lauten Umgebungen und reduziert Höranstrengung. Adaptive Algorithmen passen die Filtereinstellungen fortlaufend an wechselnde Geräuschpegel an. Nachteile können ein leicht verminderter räumlicher Höreindruck und Batterieverbrauch sein.
Ein Noiser ist ein integrierter Tinnitus‑Masker in modernen Hörgeräten, der ein leises Rauschsignal abgibt, um Ohrgeräusche zu überdecken und Habituation zu fördern. Das Spektrum und die Lautstärke des Noisers lassen sich individuell an den Tinnituscharakter des Trägers anpassen. Durch kontinuierliches, angenehmes Rauschen verschwindet der Fokus auf den Tinnitus und kognitive Belastung wird reduziert. Noiser‑Programme können situativ aktiviert oder automatisch durch Geräuscherkennung gesteuert werden. Klinische Studien belegen, dass integrierte Noiser‑Funktionen Schlafqualität und Lebenskomfort bei Tinnitus-Patienten signifikant verbessern.
Die Nomenklatur audiologischer Tests umfasst standardisierte Bezeichnungen für Verfahren wie Ton‑, Sprach‑, Otoakustische Emissionen (OAE) und evozierte Potentiale (ABR, CAEP). Einheitliche Terminologie erleichtert Kommunikation zwischen Audiologen, HNO‑Ärzten und Forschern. Sie definiert Testparameter wie Frequenzbereich, Pegel, Maskierung und Stimulusart eindeutig. Internationale Normen (ISO, IEC) und Fachgesellschaften veröffentlichen Leitlinien zur korrekten Nomenklatur. Konsistente Benennung sichert Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen.
Normalhörigkeit bezeichnet Hörschwellen innerhalb der Referenzgrenzen von 0 bis 20 dB HL über das Frequenzspektrum von 125 Hz bis 8 kHz. Personen mit Normalhörigkeit nehmen Sprache und Alltagsgeräusche ohne technische Hilfsmittel zuverlässig wahr. Audiometrische Tests bestätigen Normalhörigkeit durch symmetrische Luft‑ und Knochenleitungskurven ohne signifikante Schwellenabweichungen. Auch bei Normalhörigkeit können subtile zentrale Hörverarbeitungsprobleme (z. B. Hidden Hearing Loss) auftreten. Der Begriff dient als Ausgangspunkt für die Klassifikation von Hörverlustgraden und Versorgungsentscheidungen.
Die Normkurve im Audiogramm ist die standardisierte Linie, die die normale Hörschwelle über Frequenzen abbildet und als Vergleichsreferenz dient. Abweichungen der gemessenen Schwellenkurve von dieser Linie zeigen den Grad und das Muster eines Hörverlusts. Normkurven basieren auf Populationserhebungen und Referenzpegeln nach ISO‑ und ANSI‑Normen. In der Anpasssoftware visualisiert die Normkurve Sollverstärkungsprofile für Hörgeräte. Audiologen nutzen die Abweichungen, um individuelle Audiogramm‑Abgleiche und Versorgungsziele festzulegen.
Die Normschwelle ist der in der Audiologie festgelegte Referenzpegel (0 dB HL) für die minimale wahrnehmbare Schalldruckamplitude bei Standardbedingungen. Sie variiert leicht mit Testfrequenz, ist aber international genormt, um Vergleichbarkeit von Testergebnissen zu gewährleisten. Werte oberhalb der Normschwelle definieren die Grade von Hörverlust. Die Normschwelle ist Grundlage für die Kalibrierung von Audiometern und Hörsystemparametern. Auch in otoakustischen Emissionstests und evozierte Potentialen dient sie als Bezugsgröße.
Der Nukleus cochlearis ist die erste zentrale Verschaltungstation der Hörbahn im Hirnstamm, wo Fasern des N. vestibulocochlearis enden. Er teilt sich in ventralen und dorsalen Kernkomplex, die unterschiedliche Aspekte der akustischen Signalverarbeitung übernehmen, etwa zeitliche Feinstruktur und Spektralinformationen. Von hier aus ziehen Neurone weiter zum superioren Olivenkomplex, Lemniscus lateralis und nachfolgenden Hörzentren. Läsionen im Nukleus cochlearis führen zu zentral-auditorischen Verarbeitungsstörungen trotz intakter peripherer Funktion. Intraoperative evozierte Potentiale (BERA) messen die Integrität des Nukleus cochlearis und seiner Verbindungen.
Die Nutzungshäufigkeit von Hörgeräten beschreibt, wie oft und in welchen Situationen Träger ihre Hörsysteme verwenden. Optimale Nutzung (täglich, mehrere Stunden) korreliert stark mit Versorgungserfolg, Sprachverständnis und Lebensqualität. Audiologen erfassen Nutzungsmuster per Fragebogen, Tragezeiterfassung im Gerät und Smart‑App‑Statistiken. Häufige Hürden sind Stigmata, Handhabungsprobleme und eingeschränkter Komfort. Interventionen wie Schulungsprogramme und individualisierte Anpassungen erhöhen die Nutzungsakzeptanz deutlich.
Nystagmus ist ein unwillkürliches, rhythmisches Augenbewegungsmuster, oft als Reaktion auf vestibuläre Reize oder neuronale Läsionen. Er kann spontan, positionell oder kalorisch ausgelöst sein und in Richtung und Geschwindigkeit variieren. Die Analyse von Nystagmuscharakteristika (z. B. Richtung, Latenz, Abklingzeit) liefert differenzierte Informationen über periphere und zentrale Vestibularpathologien. Video‑Nystagmographie (VNG) und Frenzelbrille sind Standarddiagnostik-Tools. Therapeutisch zielen Vestibularrehabilitation und pharmakologische Interventionen auf Reduktion pathologischer Nystagmusmuster ab.